Reinzucht und Prozente zählen

 

 

Ich habe mir die Mühe gemacht, und bei meinen Stammtieren Fremdblut- und Linienbegründer-Prozente gezählt.

siehe hier

und hier

 

Als ich Mitte der 80er Jahre zu züchten begann, war dies gang und gäbe unter einigen Züchtern - ich wuchs quasi damit auf.

Heute begegnet mir das Wissen um die Gründungssahnen nur noch sehr selten.

 

Einige Züchter kennen zwar noch die Hengst-Ahnen, die nicht mehr im Abstammungsnachweis aufgelistet sind, aber kaum noch jemand achtet bei der Anpaarung mit einem Hengst auf das Zusammentreffen der Gründungs-Linien.

Hingegen sind "Mode-Linien" entstanden - andere Hengstlinien werden kaum noch verwendet, sind gar nicht mehr auffindbar.

 

Warum ist dies so?

 

Ein Unterschied zu "früher":

Seit den 80er Jahren sind in Deutschland/Europa irrsinnig viele Generationen dazugekommen.

Kaum noch ein Pony hat die alten Ahnen im Pedigree, die Beatrice Milleder in den ersten Jahresheften der IG und Pat Lyne in "Out Of Mist" und "Shrouded In Mist" beschrieben haben.

Man "kennt die Namen nicht mehr".

Oder kaum noch.

Erst Recht nicht, wenn Tiere aus dem benachbarten Ausland kamen.

Dann ist das einfach zu viel Wissen, was verlangt wird und man fühlt sich stolz wie ein Hannoveraner Züchter, der froh ist, wenn er noch einige Hengstlinien auseinander halten kann (geschweige denn die Stutenlinien).

 

"Ist es dann nicht egal? Wenn schon so viele Generationen dazwischen liegen? Verliert es dann nicht an entscheidender Bedeutung für die Zucht?"

 

Bei einem offenen Zuchtbuch mag dies zutreffen.


Bei einer Rasse

mit schon lange geschlossenem Zuchtbuch,

bei Reinzucht ohne zugelassene Veredler,

bei einer Rasse mit nur einem sehr kleinen, übrig gebliebenen Genpool

jedoch nicht !!!

 

Bei der Zucht des Connemara Ponys treffen unweigerlich bei jeder Anpaarung nur einige wenige Ursprungszuchtlinien aufeinander.  


Schnell wird der Genpool noch kleiner.

Schnell hören gerade einige Stutenlinien auf, überhaupt noch weiter zu existieren.

 

Schnell hat man ein Pony mit extrem hohem Inzuchtfaktor.

 

Die Formel zur Errechnung des Inzuchtfaktors (oder Inzuchtkoeffizienten) lautet für jeden einzelnen gemeinsamen Ahnen:
0,5 hoch n1 + n2 + 1.

Wobei n1 die Anzahl Generationen vom Vater zum gemeinsamen Vorfahren ist, und n2 die Anzahl Generationen von der Mutter zum gemeinsamen Vorfahren.

Wenn man also den gesamten Inzuchtgrad für ein Connemara (oder eine mögliche Paarung) ausrechnen will, muss man einfach für jeden gemeinsamen Ahnen diese Formel ausfüllen und dann alle Werte, die man bekommen hat, zusammen zählen.
Wer das gerne mathematisch ausgedrückt haben möchte, der sehe sich diese Formel für den IK (Inzuchtkoeffizienten) an:





 

Quelle: www.happyentlebucher.ch

             Berechnung des Inzuchtfaktors

 

 

Den Inzuchtkoeffizienten sehe ich nicht einmal als das Entscheidene an.

 

 

Viel entscheidender ist, dass kaum noch jemand das Auftreten bestimmter Linien und das eingesetzte Fremdblut sehen kann.

 

Dass kaum noch auf den Erhalt der eh schon raren Stutenlinien geachtet wird.

Denn leider gibt es auch auf den bundesweiten Connemaraseiten kaum noch Hinweise auf die Linien. Erst recht nicht auf die der Stutenlinien.

 

Ich denke, dafür hat die Connemarazucht zu wenig Gründungstiere, als dass wir uns dies dauerhaft erlauben können.

 

Stattdessen geht die derzeitige Mode dahin, dass auf Sporterfolge der Nachzucht des ausgesuchten Hengstes geachtet wird oder auf Verbandsprämien des jeweiligen Bundeslandes.

Da aber nur wenige Hengste große Bedeckungszahlen haben (und keiner solche wie in der Sport-Warmblutzucht!) und Verbandsprämien bundesweit sehr unterschiedlich sind, und Rasseexperten diese nicht vergeben sondern leider nur Richter aus anderen Rassebereichen (Sportpferdezucht), sehe ich hierin eine große Gefahr für das Connemara Pony.


Hilft das Wissen über die Ursprünge in der Zucht?

Pat Lyne hat mit dem Beschreiben der 5 Reinzucht-Hengstlinien und der 2 Vollbluthengstlinien, die nur noch zum Teil bis heute als Hengstlinie fortgeführt werden, viel für die Connemara-Zucht "bewusst" gemacht.

Hinzu kommen noch die weiteren eingesetzten Englisch Vollblut- und Irish Draught Horse-Hengste, die bis heute regelmäßig in den Stammbäumen als Gründungshengste auftauchen.

 

Diese Gründungsväter machen 50% des Genpools aus, aus dem auch das heutige Connemara-Pony besteht - die anderen 50% kommen von den Stammmüttern der Zucht.

 

Meine erste Connemara-Stute Bamy Bell besteht zu 30,7 % aus Hengsten, die im Nachhinein Gründungsväter oder Veredler waren. Also waren knapp 20 % der Hengste welche, deren Namen wir heute kaum noch kennen.

 

Meine Stammstute aus England - Eudene Silk Cut - hatte 28,9 % der Linienbegründer und Fremdbluthengste in sich.

Bei Toxi Baun Bob waren es 35,4 %.

 

Jeder kann dies für sein Connemara Pony selbst nachrechnen.

Im Gegensatz zu früher braucht man dafür nicht mehr jedes Stutbuch - www-Seiten wie All Breed Pedigree vereinfachen ungemein - auch wenn Grundwissen vonnöten ist, weil sie weder vollständig noch fehlerfrei sind.

 

Die "Restprozente" sind einerseits "unbekannte Größe", die bei unseren heutigen Ponys jedoch nicht mehr das Erscheinungsbild beeinflussen werden, da sie sich nicht oft im Stammbaum wiederholen werden, andererseits vergrößern sie den Genpool, aus dem das Tier von heute besteht.

 

Kreuzt man unbewusst Ponys miteinander, die zum Beispiel fast nur noch wiederholt die Linie Blau in sich führen, grenzt man mit jeder neuen Zuchtgeneration diesen Genpool immer weiter ein.

Oder man "übersieht total", dass man einen Viertel-Blüter vor sich zu stehen hat.

 

Ich möchte es nicht "werten" - ob es gut oder schlecht ist, dass Bamy Bell zum Beispiel jede Hengstlinie in sich führte und dass Eudene Silk Cut nur einige wenige Ursprungsväter inne hatte.

 

Wichtig ist sicher eher, dass man überhaupt davon weiß.

Dass man für sich selbst bewusst Entscheidungen trifft, welchen Hengst man für die Zucht verwendet und seine Ursprünge mit als Entscheidungshilfe nimmt.

 

 

 

nach oben