3 wunderbare Tage bei den Heideponys

Ein Reisebericht einer Schweizerin, die auszog, um sich vielleicht ein Pony zu kaufen

Nachfolgend ein Bericht meines lieben Gastes Sonja Berger. Die schönen Fotos sind auch von ihr. September 2012.

 

 

1. TAG IN DER HEIDE

Nach etwas mehr als sechs Stunden Zugfahrt komme ich in Lüneburg an. Bei der Einfahrt in den Bahnhof sehe ich niemanden, der Ulrike ähnlich sieht, aber ein junges blondes Mädchen steht am Bahnsteig. Ob das Annika ist? Tatsächlich ist es Annika und als ich auf sie zu gehe, steht dann auch Ulrike da. Erster Eindruck: Sie sieht jünger aus, als ich sie mir vorgestellt habe. :zwinkern: Es ist seltsam, jemandem, den man bisher nur übers Internet kannte, nun in echt gegenüberzustehen. Hoffentlich fällt mir genug zum Reden ein! Das ist nicht unbedingt meine Stärke, wenn ich auf fremde Leute treffe. :shy: Zu meiner Erleichterung kommt aber schliesslich doch ein Gespräch in Gang. Und daran, dass ich keine Quasseltante bin, müssen sich meine Gastgeber halt gewöhnen. :zunge:

Erster Programmpunkt: Wir fahren gleich zu den jungen Ponys in der Heide. An Genaueres kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Ich war wohl zu überwältigt. Kann sein, dass mir die Ponys kleiner vorkamen, als ich sie mir vorgestellt hatte. In den nächsten Stunden fahren wir von einer Weide zur nächsten und überall stehen Ponys von Ulrike. Und irgendwann stehen wir vor Phoebe. Ich weiss gar nicht recht, wie ich jetzt reagieren soll. Sie kommt freundlich zu uns, lässt sich streicheln. Sie sieht aus, als würde sie ständig lächeln. Ulrike meint, das liege an einer kleinen Hautfalte an der rechten Oberlippe, die sie von einer verheilten Wunde hat. Wie wäre das, wenn das mein Pony wäre? Ich kanns mir noch nicht so recht vorstellen.

Dann fahren wir in den Wald, wo wir mit zwei Mädchen einen Ausritt in die Heide unternehmen werden. Mitten im Wald stehen auf einer Wiese drei reinweisse und ein Rotschimmel. Mir gefällt, wie unkompliziert Ulrikes Reitschule funktioniert. Mal reitet man hier, mal dort, je nach dem, wo die Ponys gerade stehen, und geputzt und gesattelt wird freistehend auf der Wiese. Connemara-Reitpremiere für mich! Ich darf Lassie reiten. Ich bringe Ulrike zum Schmunzeln, als ich Lassie als "stämmig" bezeichne. Ich muss erklären, dass ich damit nur die Beine meine, die für mich ungewohnt stabil für ein Pony sind. Ich kenne eher die feinen Röhren eines Deutschen Reitponys. Connemara-Banause halt. :nix: Zum Reiten fühlt sich Lassie nicht besonders anders an im Vergleich zu anderen Pferden, die ich bislang geritten bin. Mir fällt einzig auf, dass ihre Gänge eher flach sind, während mein letztes Pflegepferd (Lippizzaner) deutlich mehr Bewegung in die Höhe hatte. Ulrike erzählt mir, dass die Connemaras gerne laufen, aber ohne sich dabei aufzuheizen. Genauso erlebe ich Lassie auch auf dem Ritt. Sie geht willig Trab und Galopp und geht danach im Schritt so ruhig weiter wie zuvor. Hach, wie schon gesagt: Die Sandwege! Unter diesen Umständen könnte ich mir durchaus vorstellen, nur Geländereiter zu sein. Solch ein Ausreitgebiet mit praktisch freier Gangartenwahl bin ich mir nicht gewohnt. An dieser Stelle vielen Dank, Ulrike, fürs viele Traben und Galoppieren! :zwinkern:

Später fahren wir nochmals zur Weide wo Phoebe steht. Ulrike zeigt mir, was sie bisher mit ihr gemacht hat. Hufe auskratzen vorne klappt schon, an den Hinterhufen muss noch etwas geübt werden, ebenso findet es Phoebe bisher nicht so toll, an den Ohren angefasst zu werden. Ein wenig Longieren in Schritt und Trab geht auch schon, ebenfalls Freilaufenlassen. Da packt Phoebe dann auch ihre schönen Gänge aus. :grins: Ein wirklich schönes Pony, das sich zu bewegen weiss und einen aufmerksam beobachtet. Gleichzeitig wird mir bewusst, wie jung und unerfahren sie noch ist und wie sorgfältig man mit ihr umgehen muss. Nach zwei traurigen Erfahrungen mit verdorbenen Jungpferden, die vor ihrem vierten Geburtstag beim Schlachter landeten, hatte ich mir geschworen, die Finger von Jungpferden zu lassen. Einerseits waren die schon verdorben, bevor ich mit ihnen zu tun hatte, andererseits denke ich, wenn ich sehe, wie wenig Ulrike mit der vierjährigen Phoebe macht, habe auch ich diese Jungpferde mit meinen Ansprüchen ziemlich überfordert ... Ich bin mir nicht so sicher, ob ich die tatsächlich erforderliche Geduld für ein Jungpferd aufbringen könnte.

Das wars im Wesentlichen für den 1. Tag. Anschliessend fuhren Ulrike und ich noch bei Rosi, Lacca und Co. vorbei, wo ich auch Kathi traf, bevor wir dann in meiner Pension in Vierhöfen gemeinsam zu Abend assen und aus unerfindlichen Gründen beide bereits um 8 total müde waren. Vielleicht wars die Anstrengung, Hochdeutsch sprechen bzw. Hochdeutsch mit Schweizer Akzent und Helvetismen wie "Tablar" verstehen zu müssen. :lol:

TAG 2 begann mit einer morgendlichen Massagestunde für Oma Lisa, die diese sichtlich genossen hat. So gut es so früh am Morgen mit den steifen Gliedern ging, hat sie sich hin und her gelehnt und verdreht, damit ich genau die richtigen Stellen kraulen konnte. Und eine Schnute hat sie gemacht ...! :victory:

Anschliessend schauten wir bei den Jungpferden bei Lüneburg vorbei. Die Hunde brachten Bewegung in die Junghengste. Schon eindrücklich, wie das poltert, wenn eine Gruppe Pferde in vollem Galopp umherrennt - sogar in diesem weichen Boden. Überhaupt staune ich, wie trittsicher die Pferde sind. Trotz Gräben, Löchern und Sumpf bewegen sie sich auch in hohem Tempo absolut sicher. Während die jüngeren Hengste immer in der Gruppe bleiben, gibt es auf der zweiten Koppel Arbeitsteilung. Fion übernimmt die Rolle des temperamentvollen Hengstes und tobt mit den Hunden über die Wiese - (ach die Koppel ist ja noch grösser, als ich dachte?!) -, während Finley sich nach einer Weile wieder dem Gras widmet oder sich von Ulrike streicheln lässt. Schliesslich findet Ulrike aber, dass es auch für Fion genug ist mit Jagen. Sehr zum Leidwesen der Hunde, bis dann Pumba schliesslich ganz begeistert mit einem Rehbein daherkommt ... mmh, dieser Duft! :gruen:

Auf der Stutenweide widmet Urlike sich dem Zaunsalat, den die Ponys verursacht haben. In der Zwischenzeit pirsche ich mich mit meiner Kamera an die Herde heran. Eines der Fohlen liegt und ich möchte es auf keinen Fall stören. Seine Mutter, eine Schimmelstute, lässt mich nicht aus den Augen und will schliesslich genau wissen, wer ich eigentlich bin und was ich hier will. Nachdem sie sich davon überzeugt hat, dass ich ungefährlich bin, darf ich mich ungehindert in der Herde bewegen. Von überall kommen neugierige Ponynasen, die mich begutachten wollen. Obwohl die Ponys offenbar nicht viel Kontakt zu Menschen haben, sind sie nicht scheu. Ich muss teilweise eher aufpassen, dass sie bei aller Neugierde nicht zu aufdringlich werden. Fohlen Nr. 2 mit den grünen Augen kann gar nicht nah genug kommen, als es mich untersucht. Schliesslich kann ich sogar ganz nah zum liegenden Fohlen hingehen. Es lässt sich von mir überhaupt nicht stören, auch nicht von der klickenden Kamera.
Ich habe sowas noch nie in der Art erlebt, und es ist wunderschön. Es ist fast, als wäre ich Teil der Herde. Die Ponys kraulen sich in meiner Anwesenheit gegenseitig das Fell, legen sich zum Schlafen hin (die Braune schnarcht :mrgreen: ), die Fohlen trinken bei ihrer Mutter und dazwischen will mich immer mal wieder eine genauer kennenlernen. Mir wird bewusst, dass das eigentlich das erste Mal ist, dass ich intaktes Herdenleben mit Jungpferden und solch naturnahe Haltung miterleben kann. Und ich verstehe nicht, warum Leute Geld ausgeben, um ihr Pferd in einen popeligen Stall mit Alibi-Auslauf zu stellen, wo man es doch so einfach viel pferdefreundlicher und auch zum Zuschauen und Miterleben schöner haben kann. :nix:

Am Nachmittag mache ich Bodenarbeit mit Phoebe. Wir üben Hufegeben, Führen und Longieren. Phoebe macht das richtig gut. Longieren geht im Schritt und Trab, nach einigen Runden hat sie allerdings dann genug und ich lasse sie nur noch ein wenig freilaufen, bevor ich die Arbeit beende. Ulrike bietet mir an, Dundrum zu reiten, wenn ich Lust habe. Nachdem geklärt ist, welcher Hengst tatsächlich Dundrum ist :augenroll:, mache ich den Schönen zum Reiten bereit. Huch ist da wenig Pferd unter mir! Nachdem ich in den letzten Jahren immer das Problem hatte, dass "meine" Pferde eigentlich zu breit für mich waren, ist es ungewohnt, dass auf einmal die Füsse weiter innen sind als die Knie. Ich gewöhne mich aber schnell daran und fühle mich wohl auf Dundrum, obwohl wir noch die eine oder andere Meinungsverschiedenheit haben, wenn es ums Abwenden geht. Auch Dundrum ist vom Aubildungsstand her noch ein junges Pferd. Aber er ist routinierter als Phoebe. Ja, solch ein Pferd könnte ich mir eher vorstellen zu kaufen, dem fühle ich mich gewachsen. Prompt macht Ulrike nach dem Reiten auch eine entsprechende Bemerkung. :schnauze: Ich entgegne, der Kauf eines Hengstes böte meinem Freund gegenüber zumindest das Argument, dass das Pony nicht nur kostet, sondern auch Decktaxe einbringen würde. :idee:

Später reitet Annika noch Pegi (das Kaltblut unter den Connemaras ...) und hat anschliessend Dressurunterricht bei Ulrike mit Twice. Sie übt fürs Turnier am Wochenende. Ich schaue den beiden gerne zu, es ist auf eine unspektakuläre Art schön und alles scheint zu klappen. Twice ist absolut cool und nimmt es auch gelassen hin, dass Annika die Stunde auf seiner Kruppe stehend beendet. :ruhe:

Nach einer erneuten Kraulstunde mit Lisa verabschieden wir uns von den Ponys und brechen auf nach Lüneburg. Glücklicherweise ist Lüneburg schön und viel grösser als ich dachte - und Ulrike macht sich gut als Touristenführerin. Der Tag endet mit meiner Beichte, dass ich mir kein Pony kaufen werde, leckerem Essen und einem unbekannten Heidelbeergetränk. :daumen:


TAG 3
 Ich machs kurz. - Am Freitag helfe ich Ulrike beim Abmisten, ich kann da nicht nur danebenstehen und zuschauen. Ich darf noch einmal Dundrum reiten und Ulrike gibt mir Unterricht. Die Fotos vom Vortag waren hilfreich, sodass ich auch schon einige Punkte weiss, auf die ich achten muss. So hatte ich etwa die ganze Zeit durchhängende Zügel und aus unerfindlichen Gründen überhaupt nicht das Gefühl, dass die so lang sind. :huch: Heute ist das Abwendeproblem deutlicher, betrifft aber die andere Seite als am Tag zuvor. Dundrum überstellt sich, obwohl ich ihn nur mit den Schenkeln abwende und seinen Hals gerade lassen möchte. Nachdem feststeht, dass ich weder am inneren Zügel ziehe, noch zu lange Zügel habe, setzt sich Ulrike auf Dundrum, um den Grund für unsere Probleme zu finden. Sie attestiert mir einerseits eine feine Hand, andererseits stellt sich heraus, dass sie mit Dundrum die umgekehrten Schwierigkeiten zu mir hat. Ihre Wendungen werden anfangs zu klein und Dundrum fällt auf die innere Schulter. Fazit: Irgendwas machen wir unterschiedlich, was ist nach wie vor unklar. Ulrike korrigiert Dundrum, indem sie die innere Hand hebt und so das Durchkommen mit dem inneren Schenkel kontrolliert. Ich versuche dasselbe und es funktioniert schliesslich doch noch. :daumen:

Am Nachmittag reiten wir nochmals mit Reitschülern in der Heide aus. Noch einmal viel Trab und Galopp, Hügel rauf und runter ... :springbunny: Ich reite wieder Lassie und versuche die Erkenntnis von Dundrum, dass mehr Anlehnung nötig wäre, umzusetzen. Lassie reagiert maulig, bis mir auffällt, dass meine Ellbogen im Nirvana schweben statt an meinen Rippen zu liegen. Und endlich gibt Lassie im Genick nach und den Rücken allmählich her und ich spüre, dass ich nun wirklich Einwirkung habe. Stimmt, das habe ich auch schon irgendwo gelesen, dass das erst mit den angelegten Ellbogen geht, aber auf diesem Ritt zum ersten Mal bewusst so wahrgenommen. :idee: Und nach dieser letzten Erkenntnis fahren wir direkt zum Bahnhof Lüneburg und 3 wunderbare Tage bei Ulrike und ihren Heideponys sind vorbei. Nochmals herzlichen Dank für deine Gastfreundschaft und alles, was ich in den drei Tagen lernen durfte.
:umarm:

 

Sonja Berger

 

 

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